Die Arbeitswoche in Tansania war sehr intensiv. Wir trafen uns mit der Schwesternschaft, Planson Choosi (Lehrer und Freund von uns), Lehrern und Pfarrern aus dem Seminar in Kiduagala und Bischof Mengele in Njombe.
Bei allen Gesprächen ging es um die Frage, wie eine Lehrerbildungsunterstützung von unserer Seite aus aussehen könnte. Dabei wurden viele Fragen bezüglich der Möglichkeiten diskutiert, was vom Verein „Die Brücke“ erwartet wird.
Die Lehrer, die wir trafen zeigten sich sehr offen für Unterrichtsmethodik. Sie interessieren sich vor allem dafür, mit welchen Möglichkeiten man einen Unterricht gestalten kann, der Kinder zum selbständigen Denken erzieht. Lösungsorientierte Aufgabenstellungen sollen einen rein rezitativen Unterricht ersetzen. Außerdem interessieren sich die Lehrkräfte für Möglichkeiten, Kindern wirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären und nahe zu bringen.
Innerhalb dieser Gespräche wurden von unserer Seite auch viele Fragen gestellt, in welchen kulturellen Rahmenbedingungen sich das Alltagsleben Tansanias abspielt. Unsere europäische Kultur wird dabei kritisch gesehen. Man befürchtet einen Verfall von zusammenhängenden Gesellschaftsstrukturen, wie Familie, Clan und Stamm. Dieses Denken ist uns sehr fremd. Wir sind daran gewöhnt, die Rechte des Individuums und die Entfaltungsmöglichkeiten des einzelnen Menschen als Wert zu definieren. Wir können aber in Tansania nicht voraussetzen, dass sich unsere Werte, die von einer globalisierten Wirtschaft ausgehend, uns zu Konsumenten oder Investoren gemacht hat und uns von den Zwängen sozialer Gruppen „befreit“ hat einfach so auf Tansania übertragen lassen. Schon gar nicht werden wir uns diesbezüglich als Kulturveränderer betätigen. Jedoch diskutieren wir mit unseren Freunden, welche indirekten Veränderungen sich durch eine Konzeption für die kulturell gewachsenen Verbünde ergeben, wenn Kinder zu wirtschaftlich handlungsfähigen Personen erzogen und ausgebildet werden. Dieser Prozess des gegenseitigen Austausches ist erst am Anfang. Wirtschaftliches Wachstum zum Beispiel setzt die Gestaltungsfreiheit des Einzelnen voraus. Der Investor, der mit Geld eine kleine Firma aufbaut muss lernen, dass er Geld zur Investition benötigt, das er dann in die Firma investieren muss. Dieses Geld wird aber damit der Familie und dem Clan entzogen. Die Familie muss daher akzeptieren, dass ein Mitglied des Verbandes Geld zurückbehält. In unserer Kultur wird das Geld verteidigt, in dem man sein Herz vor dem anderen verschließt. So formulieren es Tansanianer, die unsere Kultur und unser Verhalten kritisch ansehen. Für dieses Problem muss eine Antwort gefunden werden. Diese Antwort liegt in einer Vermittlung von Werten, die an Kinder weiter gegeben werden muss, will man auf der einen Seite wirtschaftliche Wertschöpfung fördern und auf der anderen Seite die Familienverbünde nicht zerstören. An diesem kleinen Beispiel lässt sich erahnen, welche Schwierigkeiten das Thema „Lehrerbildung“ mit sich bringt. Eine verkürzte Sicht auf die rein ökonomische Weiterentwicklung, die die sozialkulturellen Traditionen außer Acht lässt, würde sich massiv kulturzerstörend auswirken. Ein kritischer Blick auf unsere eigene Kultur bietet sich daher an. Denn auch bei uns gibt es Verlierer des Systems. Menschen, die aus irgendwelchen Gründen nicht das Kapital erwirtschaften können, welches sie brauchen, um ihr Leben selbständig gestalten zu können. Bei uns wird der Wert eines Menschen oft am Bankkonto festgezurrt, obwohl dies offiziell jeder dementieren würde. Aber in unserer Kultur spielen nicht alle Kinder zusammen am Dorfplatz Fußball. Und sollte es ein Ziel für Tansania sein, dass Kinder vor ihren Computern im Kinderzimmer zunehmend vereinsamen?